Petition an Věra Jourová

Vizepräsidentin der EU-Kommission, für Werte und Transparenz zuständig – wegen Vollstreckbarerklärung des rechtskräftigen Urteils des polnischen Gerichts auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

Im Zusammenhang mit den Medienberichten bezüglich Ihres geplanten Besuchs in Polen, möchten wir Sie um Unterstützung und Hilfe bitten, um die Vollstreckung des Urteils des polnischen Berufungsgerichts Krakau vom 22. Dezember 2016 auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sicherstellen (Az. I Aca 1080/16). In diesem Urteil hat das Gericht den deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ZDF dazu verurteilt, eine Entschuldigung an Herrn Karol Tendera für die Verwendung der Bezeichnung „polnische Vernichtungslager“ in Bezug auf die deutschen Konzentrationslager Auschwitz und Majdanek zu veröffentlichen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (nachstehend „BGH“) hat jedoch erkannt, dass der deutsche Fernsehsender das polnische Urteil nicht vollstrecken muss, kraft dessen ZDF auf seiner Homepage eine Entschuldigung an Herrn Karol Tendera zu veröffentlichen hatte (Beschluss des BGH vom 19. Juli 2018, Az. IX ZB 10/18). Der Beschluss des deutschen Gerichts wurde durch die öffentliche Meinung in Polen mit Empörung entgegengenommen – das Urteil des BGH wurde als Fortsetzung der Verleumdungskampagne interpretiert, die seit mehreren Jahren gegen unser Volk geführt wird. Auch die wissenschaftlichen Kreise (darunter die deutschen Wissenschaftler) haben sich dazu kritisch geäußert.

In einem Interview haben Sie erklärt, dass „der Stand der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten überprüft wird“, deswegen hoffen wir, dass wir uns auf Ihr Engagement auch bezüglich der Vollstreckbarerklärung des Urteils in der Sache des Herrn Karol Tendera verlassen können. Die gegenseitige Vollstreckbarerklärung ist dabei einer der grundlegenden Werte, auf den die Rechtsordnung der Europäischen Union gebaut wurde.

Es besteht ein Risiko, dass ausbleibende Vollstreckbarerklärung des Urteils des polnischen Gerichts in der gegenständlichen Sache eine gefährliche Präzedenz begründen kann, wodurch die Vollstreckbarkeit der Urteile durch andere Mitgliedstaaten möglicherweise nicht anerkannt wird.

Wir möchten Sie kurz an die Einzelheiten dieser Sache erinnern:

Karol Tendera hat eine Entschuldigung für die Formulierung „polnische Konzentrationslager“, die durch ZDF in Bezug auf die deutschen Konzentrationslager Auschwitz und Majdanek verwendet wurde, vor Gericht erkämpft. Der Kampf vor dem Gericht begann vor 6 Jahren. Im Dezember 2016 wurde ZDF in der rechtskräftigen Entscheidung des Berufungsgerichts Kraków dazu verurteilt, auf der Homepage seines Internetauftritts ein Entschuldigungsschreiben bezüglich der Anwendung dieser die Geschichte verfälschenden Worte zu veröffentlichen. Vorher hat das Gericht der ersten Instanz erkannt, dass die Persönlichkeitsrechte des Klägers – die persönliche Würde, nationale Identität und die nationale Würde – durch ZDF verletzt wurden, der Fernsehsender sollte sich jedoch bei dem Kläger in einem persönlichen Brief wirksam entschuldigt haben. Aus diesem Grund wurde die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht Kraków hat dieses Urteil geändert und ZDF dazu verpflichtet, sich bei Karol Tendera für die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte öffentlich zu entschuldigen, das Gericht erkannte also, dass in diesem Fall die Entschuldigung in Form eines Briefes nicht ausreichend war. 2017 haben die Bevollmächtigten von ZDF die Kassationsklage gegen dieses Urteil beim Obersten Gericht eingereicht. Im Oktober dieses Jahres hat das Oberste Gericht über die Aufnahme der Kassationsklage zur Überprüfung während einer Verhandlung entschieden. Der Termin für die Überprüfung der Kassationsklage wurde für den 25. September 2019 festgelegt, jedoch hat ZDF inzwischen beschlossen, die Klage zurückzunehmen. Gemäß den Rechtsvorschriften wird bei Rücknahme der Kassationsklage das Verfahren durch das Oberste Gericht eingestellt und das in der zweiten Instanz gesprochene, rechtskräftige Urteil wird endgültig. Das ist eine folgenschwere Entscheidung. ZDF hat dadurch unsere Interpretation des Rechts auf Verteidigung der nationalen Würde und Identität anerkannt. Das bedeutet, dass es sich bei der Auslegung des Berufungsgerichts Kraków um geltende Auslegung handelt, die mit keinen Rechtsmitteln angefochten werden kann.

Es ist hier zu betonen, dass in dieser Sache sogar die deutschen Gerichte keinen Zweifel hatten. Das Oberlandesgericht Koblenz hat im November 2017 entschieden, dass ZDF dem Urteil des Berufungsgerichts Krakau folgen und sich für die Bezeichnung „polnische“ Vernichtungslager entschuldigen müsse. Es war das erste Mal, als auf dem Gebiet Deutschlands eine derartige Entscheidung getroffen wurde. Äußerst wichtig ist dabei, dass sich das deutsche Gericht unseren Ausführungen in vollem Umfang angeschlossen hat, dass mit dem Adjektiv „polnisch“ im Zusammenhang mit den Vernichtungslagern nicht nur ein geographisches, sondern auch ein nationales Merkmal zugeordnet wird. Das deutsche Gericht hat das geografische Konzept, dass es sich dabei um polnische Vernichtungslager handelt, weil sie sich auf dem polnischen Boden befanden, abgewiesen.

Nachstehend wird ein Abschnitt aus dieser bahnbrechenden gerichtlichen Entscheidung angeführt:

„Durch die Anwendung eines Adjektivattributs wurde den genannten Konzentrationslagern – bei unvoreingenommener und nachvollziehbarer Interpretation aus dem Gesichtspunkt eines durchschnittlichen Lesers – unter Berücksichtigung des Zusammenhangs (…) nicht (nur) geografisches, sondern auch nationales Merkmal zugeordnet, [das darauf hinweist], dass sie von den Polen und auf deren Verantwortung errichtet und betrieben wurden“ – so steht es im Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz.

Leider hat der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe (nachstehend „BGH“) in seinem am 21. August 2018 veröffentlichten Beschluss jedoch erkannt, dass der deutsche Fernsehsender das polnische Urteil nicht erfüllen muss, kraft dessen ZDF zur Veröffentlichung auf seiner Homepage einer Entschuldigung an Herrn Karol Tendera verurteilt wurde. Der BGH berief sich dabei auf die in der Bundesrepublik Deutschland geltende verfassungsrechtliche Meinungsfreiheit und die sog. die Ordre-public-Klausel, d.h. ein Rechtsinstitut, wonach die Vollstreckbarerklärung eines Urteils bei dessen Widerspruch gegen die öffentliche Ordnung des ersuchten Staates verweigert werden kann. Mit seinem Beschluss hat der BGH gegen mehrere Normen des allgemein geltenden Rechts der Europäischen Union verstoßen, darunter insbesondere gegen Art. 45 Abs. 2 der damals geltenden Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-Verordnung), die Folgendes klar und deutlich vorschrieb:

„Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung darf im ersuchten Mitgliedstaat keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.“

In diese Sache haben sich auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments eingeschaltet – Dobromir Sośnierz, Ryszard Antoni Legutko, Jadwiga Wiśniewska, Zbigniew Kuźmiuk, Karol Karski, Ryszard Czarnecki und Kazimierz Michał Ujazdowski.

Welche Antwort haben sie erhalten? Gar keine. Das ist jetzt nicht übertrieben, denn die Europäische Kommission, die Sie als Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung persönlich vertreten, hat in einer kurzen Antwort festgestellt, dass „der Kommission keine Praktiken der deutschen Gerichte bekannt sind, welche die in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen anfechten würden“ (sic!). Weiter haben Sie Folgendes erklärt: „Im Rahmen der allgemeinen Überwachung der Anwendung dieser Verordnung durch die Kommission, steht die Kommission im regelmäßigen Kontakt mit den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem europäischen Gerichtsnetz in den Zivil- und Handelssachen. Der Bericht bezüglich der Anwendung der Verordnung, welcher durch die Kommission im Jahre 2022 präsentiert werden soll, ermöglicht ferner die Beurteilung der Anwendung von Grundlagen einer Verweigerung, darunter auch den mit der öffentlichen Ordnung verbundenen Grundlagen.

Anders ausgedrückt, die Kommission hat die Sache von Karol Tendera völlig missachtet. Mit dieser Antwort wurden nicht nur die Opfer der deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges auf die leichte Schulter genommen, sondern auch unsere Mitglieder des Europäischen Parlaments verleumdet.

Patria Nostra als Bevollmächtigter des verstorbenen Karol Tendera ist der Meinung, dass es angesichts der erfolglosen „sanften Maßnahmen“ in Form von Interpellationen und Anfragen erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, die im Rahmen der Verfahren gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (nachstehend „AEUV“) vorgesehen wurden.

Noch einmal fordern wir Sie auf, Maßnahmen umgehend zu ergreifen, um die Vollstreckbarerklärung des polnischen Urteils auf dem Gebiet Deutschlands sicherzustellen. Duldung der „Unwirksamkeit“ gerichtlicher Entscheidungen eines Mitgliedstaates auf dem Gebiet eines anderen Landes verstößt gegen die Grundlagen der europäischen Integration. Die Missachtung der Sache von Karol Tendera wird sich ferner auf das Image der Europäischen Kommission in Polen auswirken. Wir hoffen, dass Ihre Worte über die Länder, in den die Rechtsstaatlichkeit missbraucht wird, dass man da „kein Auge zudrücken darf“, ernst gemeint waren. In jedem Mitgliedstaat sollten einheitliche Prüfkriterien eingesetzt werden.

Gezeichnet: Stanisław Zalewski, der ehemalige Häftling in Pawiak, KL Auschwitz-Birkenau und KL Mauthausen-Gusen, Vorsitzender der Polnischen Vereinigung der Ehemaligen Häftlinge der Politischen Gefängnisse und Konzentrationslager Hitlers

Rechtsberater Lech Obara, Vorsitzender des Vereins Patria Nostra