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Rechtstreit Zbigniew Osewski gegen Axel Springer

Im November 2008 erschien in der deutschen Tageszeitung Die Welt ein Artikel von Miriam Hollstein mit der Formulierung „polnisches Konzentrationslager Majdanek”. Später wurde in dieser Tageszeitung dieselbe Formulierung auch im Jahre 2010 verwendet.

Die Welt wurde dafür von Zbigniew Osewski – Enkel eines der Häftlinge von KZ-Auschwitz verklagt.

Der Kläger trug vor, dass diese Formulierung gegen die nationale Würde Polens und gegen seine Persönlichkeitsrechte verstößt.

Zbigniew Osewski wird von den Rechtsberatern Lech Obara und Szymon Topa aus der Rechtsberaterkanzlei „Kancelaria Radców Prawnych Lech Obara i Współpracownicy“ in Olsztyn, den Mitgliedern des Vereins Patria Nostra vertreten.

Die Anwälte des Verlags Axel Springer Societas Europea, des Herausgebers von Die Welt, haben beantragt, die Klage abzuweisen, indem sie darauf hinwiesen, dass die Redaktion diesen Fehler umgehend korrigierte und „ihr Bedauern ausdrückte“.

Am 19. Februar 2015 fand die letzte Verhandlung im Rechtsstreit Zbigniew Osewski gegen den Herausgeber der Tageszeitung Die Welt Axel Springer SE wegen der Verwendung von Bezeichnungen „polnisches Konzentrationslager“ und „polnisches Vernichtungslager“ in den Artikeln dieser Zeitung statt.

Während der Verhandlung wurde Zbigniew Osewski vernommen und hat die Gründe für die Klageerhebung erklärt. Seinen Erklärungen zufolge war sein Großvater im Nebenarbeitslager Deutsch Eylau (poln. Iława) ums Leben gekommen, sein anderer Großvater konnte dagegen aus KZ Groß-Rosen fliehen und seine Erfahrungen mit dem Enkel teilen. Der Kläger vertritt die Meinung, dass er sich aus Respekt für die Aufopferung seiner Großväter verpflichtet fühle, um die Erinnerung an die Verursacher ihres Leidens zu kämpfen.

Das Bezirksgericht Warschau hat jedoch die Klage von Zbigniew Osewski abgewiesen und das Urteil wurde am 5. März gefällt. Die Bevollmächtigten von Zbigniew Osewski habe gegen dieses Urteil eine Berufung eingelegt.

Am 31. März 2016 hat das Berufungsgericht Warschau die im Verfahren von Zbigniew Osewski eingelegte Berufung abgewiesen, indem es feststellte, dass die deutsche Tageszeitung Die Welt durch die Formulierung „polnische Lager“ zwar gegen die Persönlichkeitsrechte des Klägers verstoßen habe, jedoch das Verlangen nach einer individuellen Entschuldigung zu weit gehe. Zbigniew Osewski hat bereits die Kassation beim Obersten Gericht angekündigt.

Es ist dabei zu erwähnen, dass Zbigniew Osewski zunächst beantragte, den deutschen Verlag zur Zahlung eines Betrags von 500 000 PLN samt gesetzlichen Zinsen für den angegeben gesellschaftlichen Zweck zu verurteilen. Nachdem jedoch weitere Veröffentlichungen über die „polnischen Vernichtungslager“ erschienen sind, beschloss Osewski den ursprünglichen Klageantrag abzuändern und bei der verklagten Gesellschaft eine Wiedergutmachung in Höhe von 1 Mio. PLN samt gesetzlichen Zinsen zugunsten vom Behindertenverein in Sejny geltend zu machen. Für die Artikel mit entrüstenden, die Geschichte verfälschenden Formulierungen verlangte Zbigniew Osewski von Axel Springer AG zugleich die Veröffentlichung auf eigene Kosten einer Entschuldigung in der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita und in Gazeta Wyborcza sowie im polnischen Nachrichtenprogramm Wiadomości TVP.

Im Februar 2017 hat das Oberste Gericht die Stellungnahme in dieser Sache verweigert, ferner hat es während einer nicht öffentlichen Sitzung die Überprüfung der Kassationsklage verweigert, die durch Kancelaria Radców Prawnych i Adwokatów Lech Obara i Współpracownicy im Namen von Zbigniew Osewski – dem Nachkommen von KZ-Häftlingen eingereicht wurde.

Die Kassation wurde durch den Verein Patria Nostra unterstützt, welcher sich stark in die Förderung der polnischen Staatsräson engagiert.

Das Urteil des Berufungsgerichts Warschau vom 31. März 2016 im Rechtsstreit gegen Axel Springer Societas Europea – dem Herausgeber von Die Welt – wegen der Anwendung nachstehender Formulierungen, wurde angefochten:

  1. in der Veröffentlichung vom 24. November 2008 in Die Welt „das ehemalige polnische Konzentrationslager Majdanek“;
  2. in der nächsten Veröffentlichung vom 12. Februar 2011 – schon nach Einleitung des Verfahrens (!) – in Die Welt Kompakt (von Axel Springer) „polnische Konzentrationslager“;
  3. in der Veröffentlichung vom 15. November 2013 – auch schon während des Verfahrens (!) – in der Rezension des Filmes „Die Kinder von Paris“ und in der Veröffentlichung der Pressemitteilung der DPA vom 17. Februar 2013 – „polnische Vernichtungslager“.

Damit hat das Oberste Gericht während der nicht öffentlichen Sitzung die eingehende Überprüfung der Sache und erneute Prüfung aller Ansprüche von Zbigniew Osewski gegen die deutsche AG völlig verhindert. Und das obwohl in dieser Sache, sowie in zwei anderen Fällen der Kanzlei aus Olsztyn, die polnischen Gerichte eindeutig erkannt haben, dass „nationale Identität“ und „nationale Würde“ als Persönlichkeitsrechte gemäß Art. 23 des polnischen Zivilgesetzbuches einzustufen sind und damit dem Rechtschutz unterliegen.

In dem Rechtstreit Zbigniew Osewski gegen Axel Springer hat das Berufungsgericht Warschau ausdrücklich festgestellt, dass „die Verbreitung dieser Formulierungen rechtswidrig ist und zur Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers, d.h. des Gefühls der nationalen Identität und der nationalen Würde beigetragen hat“ (Seite 32 der Urteilsbegründung I ACa 971/15).

Das Berufungsgericht schrieb ferner, dass es sich dem Standpunkt nicht anschließen kann, dass die deutsche AG diese inkriminierte Tat in der Zukunft wiederholen wird (!?).

Dadurch, dass während der nicht öffentlichen Sitzung die Annahme der Kassation für die Überprüfung verweigert wurde, wurde der Weg für die Entscheidung durch das Oberste Gericht über die Fragen bezüglich u.a. der sog. „zivilen Geldstrafen“ und des Veröffentlichungsverbots von verleumdenden Bezeichnungen in der Zukunft, und nach Aufhebung des angefochtenen Urteils – auch für die erneute Überprüfung der Sache durch das Gericht zweiter Instanz, völlig gesperrt.

– Schade, dass das Oberste Gericht die Entscheidung verhinderte, ob bei dermaßen schändlichen Bezeichnungen den sozialen Organisationen, die von den betroffenen Personen genannt werden, außer einer Entschuldigung in den polnischen und ausländischen Medien auch sehr hohe Wiedergutmachungen ausgezahlt werden sollten – äußerten sich damals dazu die Mitglieder des Vereins Patria Nostra, Rechtsberater Lech Obara, Szymon Topa und Andrzej Dramiński.