Kampf um die Wahrheit – Fortsetzung

                                                                                                    

Kampf um die Wahrheit – Fortsetzung

Die internationale wissenschaftliche Konferenz unter dem Titel „Wie kann die deutsche Öffentlichkeit über die deutschen Verbrechen in Polen während des Zweiten Weltkriegs aufgeklärt werden?“ liegt hinter uns (Touro University Berlin, 16. November 2023). Die Veröffentlichung einer Monographie in deutscher und polnischer Sprache im Anschluss an die Tagung hingegen steht noch bevor. Die Teilnehmer der Konferenz hatten zudem die Gelegenheit, einen Vortrag von Herrn Lech Obara – dem Vorsitzenden des Vereins Patria Nostra – über die Anfänge des juristischen Kampfes der Anwälte des Vereins gegen fehlerhafte Gedächtniscodes wie „polnische Vernichtungslager“ zu hören.

Die Projektaktivitäten wurden aus öffentlichen Mitteln im Rahmen des Wettbewerbs des polnischen Außenministeriums „Öffentliche Diplomatie 2023“ finanziert. Unsere Medienpartner waren TVP3 Olsztyn sowie der Rundfunk Polskie Radio Olsztyn.

In dem oben erwähnten Vortrag erörterte Herr Obara die aktuellen rechtlichen Probleme bei der Verfolgung von Ansprüchen wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten wie der Menschenwürde und der nationalen Identität.

Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass von den Instrumenten, die zur Verteidigung der historischen Wahrheit eingesetzt werden können, das Zivilrecht bei weitem das Beste ist. In den letzten Jahren haben sich Mechanismen herausgebildet, mit denen auf Versuche unsere Geschichte zu verfälschen, wirksam reagiert werden kann.

Gerade auf der Grundlage des polnischen Zivilrechts haben wir die mächtigsten ausländischen Verleger verklagt, die unterschiedliche Medienkanäle vertreten – das ZDF (Kläger: Karol Tendera, ehemaliger Auschwitz-Häftling), die Zeitung Die Welt (Zbigniew Osewski – Enkel eines ehemaligen Auschwitz-Häftlings), den Bayerischen Rundfunk (Stanisław Zalewski, ehemaliger Häftling von Auschwitz, Mauthausen und Mauthausen-Gusen) sowie das Regionalmagazin Mittelbayerische (Stanisław Zalewski). Verklagt wurde auch das große Online-Portal Focus online. Die Klägerin in diesem Verfahren war die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Dr. Janina Luberda-Zapaśnik, eine ehemalige Häftling des Lagers Lebrechsdorf. Mit seinem Vortrag wollte der Vorsitzende des Vereins Patria Nostra darauf hinweisen, auf welche rechtlichen Probleme wir in diesem Zusammenhang gestoßen sind, was wir erreichen konnten und was auf der Strecke geblieben ist. Am Anfang hatten wir das Problem, die Rechtsgüter, die verletzt worden waren, überhaupt zu benennen. Wir haben im Zivilgesetzbuch nachgeschaut, welches Bestimmungen für verschiedene Persönlichkeitsrechte enthält, aber keine davon konnten wir verwenden. Wir mussten sie also selbst benennen. Die zweite Herausforderung, mit der wir konfrontiert waren, war die so genannte Individualisierung. Es ging darum, zu zeigen, dass etwas, das für eine Gruppe gilt, auch für ein bestimmtes Mitglied dieser Gruppe gelten kann. Ein weiteres Problem war die Frage nach der Zuständigkeit des polnischen Gerichts und des polnischen Rechts.

Letzten Endes wurde unsere Argumentation vom Gericht hingenommen, und zwar zunächst vom Berufungsgericht in Warschau. Heutzutage werden die besagten Persönlichkeitsrechte von der polnischen Rechtsordnung geschützt, ebenso werden die nationale Würde und die nationale Identität in den Kommentaren zum Zivilgesetzbuch als Beispiele für Persönlichkeitsrechte genannt und in mehreren Urteilen der ordentlichen Gerichte anerkannt.

Dies ist jedoch nicht das Ende unseres Kampfes um Gerechtigkeit. In dem besonders medienwirksamen Fall von Karol Tendera gegen das ZDF ging der Fall trotz des rechtskräftigen, zufriedenstellenden Urteils des Krakauer Berufungsgerichts vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof entschied, dass sich das ZDF bei dem damals 96-jährigen Karol Tendera für die Verwendung des Ausdrucks „polnische Vernichtungslager“ nicht entschuldigen muss. Das Urteil besagt, dass die Entscheidungen des polnischen Gerichts in Deutschland nicht angewandt werden können, da dies einen „eindeutigen Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit“ darstellen würde (Ordre-public-Klausel). Der Bundesgerichtshof hob damit die Entscheidungen der deutschen Vorinstanzen – Mainz und Koblenz – auf, die das Urteil des Krakauer Berufungsgerichts in Deutschland für vollstreckbar erklärt hatten.

Das BGH-Urteil kann sehr schwerwiegende rechtliche Folgen nach sich ziehen, da es die gesamte Rechtsordnung der Europäischen Union im Bereich der Rechtspflege „sprengt“. Solange das BGH-Urteil in Kraft ist, werden alle deutschen Gerichte – mit dem Gewicht seiner Autorität – davor zurückschrecken, die Urteile polnischer Gerichte in Persönlichkeitsrechtsfällen innerhalb Deutschlands anzuerkennen. Auf Probleme stießen wir auch bei zwei weiteren Klagen auf Schutz von Persönlichkeitsrechten und Entschädigung, die der Verein Patria Nostra im Jahr 2017 vor dem Bezirksgericht Warschau u.a. im Namen des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Stanisław Zalewski gegen den Bayerischen Rundfunk mit Sitz in München (Radiosender B5) und die Mittelbayerischer Verlag KG mit Sitz in Regensburg (Regionalzeitung Mittelbayerische Zeitung) eingereicht hatte. Dabei ging es um die Zuständigkeit des Gerichts, d.h. ob der Fall vor einem polnischen Gericht verhandelt werden sollte (da sich der Lebensmittelpunkt von Herrn Zalewski hier befindet) oder vor einem deutschen Gericht (wie von den oben genannten bayerischen Medien gefordert).

Einzelheiten zu diesen Rechtsstreitigkeiten, Problemen und deren Lösung werden unseren Unterstützern und Lesern demnächst in Buchform sowie im PDF-Format zur Verfügung stehen.

 

   

Aus staatlichen Mitteln finanziertes Projekt im Rahmen des Wettbewerbs des Außenministeriums der Republik Polen „Öffentliche Diplomatie 2023“. Public task financed by the Ministry of Foreign Affairs of the Republic of Poland within the grant competition „Public Diplomacy 2023”

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