Bildungsprojekte als Ausgangspunkt für die Verständigung zwischen Polen und Deutschen

Der Verein „Patria Nostra“ aus Olsztyn führt derzeit ein Bildungsprojekt unter dem Titel „Wie kann die deutsche Öffentlichkeit über die deutschen Verbrechen in Polen während des Zweiten Weltkriegs aufgeklärt werden?“ durch. Die Projektaktivitäten werden aus öffentlichen Mitteln im Rahmen des Wettbewerbs des polnischen Außenministeriums mit dem Titel „Öffentliche Diplomatie 2023“ finanziert. Projektpartner ist die amerikanisch-jüdisch-deutsche Touro University Berlin.

Warum haben wir den Schwerpunkt ausgerechnet auf die Bildung gelegt?

Wir sehen darin den Ausgangspunkt für die Völkerverständigung zwischen Polen und Deutschen. Unsere Idee ist es, Gemeinsamkeiten zu suchen und gleichzeitig gemeinsam nach der Wahrheit zu streben. Auch wenn sie oft schmerzhaft ist. Damit sich die Deutschen der Verbrechen, die während des Zweiten Weltkriegs begangen wurden, voll bewusst werden. Verbrechen, von denen die deutsche Gesellschaft kaum noch etwas weiß. Und sobald die Erkenntnis besteht, dass eine unbestreitbare Schuld vorliegt, sollte auch eine angemessene Sühne erfolgen.

– Für die Bildungsarbeit in Bezug auf die deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs müssen Projektpartner jenseits der Oder gesucht werden. Denn wir brauchen uns selbst ja nicht von der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen, die die Deutschen an unseren Landsleuten begangen haben, zu überzeugen. Durch gemeinsame Aktionen mit den Deutschen und ein einheitliches historisches Narrativ wird unsere Botschaft glaubwürdiger, so dass sie nicht bloß subjektiv, sondern objektiv ist, erklärt Lech Obara, Vorsitzender des Vereins Patria Nostra.

Wenn die dortige Gesellschaft zumindest teilweise aufgeklärt wird, wird sich niemand erlauben, selbst den Ausdruck „polnische Lager“ zu verwenden. Dafür werden sie lernen, dass die Polen nach den Juden das am zweitstärksten benachteiligte Volk im Zweiten Weltkrieg sind. Darauf zielen die geplanten Aktivitäten der Patria Nostra ab – auf eine substanzielle internationale Diskussion und in der Folge auf eine Veränderung der Denkweise und der Wahrnehmung der Geschichte.

Deshalb wird am 16. November 2023 an der Touro University Berlin eine internationale wissenschaftliche Konferenz, auf der Themen im Zusammenhang mit dem Titel des Projekts behandelt werden, stattfinden.

Das Programm der Konferenz ist überaus abwechslungsreich. So wird Herr Lech Obara – Vorsitzender des Vereins Patria Nostra – die aktuellen rechtlichen Probleme bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Form von Würde und nationaler Identität erläutern. Er wird u.a. auf die Problematik der Verwendung von Begriffen wie „polnisches Vernichtungslager“ oder „polnisches Konzentrationslager“ als so genannte „fehlerhafte Gedächtniscodes“ aufmerksam machen.

Frank Grelka (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder) wird sich im Themenpanel „Wissenschaft und Erinnerung“ mit der deutsch-polnischen Aussöhnung im Zusammenhang mit der deutschen wissenschaftlichen Forschung befassen. Am gleichen Panel nehmen außerdem Agnieszka Wierzcholska und Robert Parzer (Begegnungsstätte mit Polen – Denkmal für Polen) sowie Uwe Hofschläger (Geschichtswerkstatt Spandau) teil, der sich mit dem Thema Klassenfahrten nach Polen auseinandersetzen wird.

Das darauf folgende Panel steht unter dem Titel „Jenseits von Polen und Juden: nationale Minderheiten“. Hier referieren Prof. Stephan Lehnstaedt („Deutsche und Deutschstämmige“) und Marta Ansilewska-Lehnstaedt („Tataren als Täter und Opfer“). Sehr aufschlussreich wird sicherlich auch der Beitrag „Schlesier in Polen und Sorben in Deutschland“ von Jens Baumann (Sächsisches Staatsministerium des Innern) sein.

Ein eigenes Panel steht für Marek Klat, Drehbuchautor des Films „Der Kammerdiener“, zur Verfügung. Er wird über die komplexen polnisch-deutsch-kaschubischen Beziehungen am Vorabend des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs und zu Beginn des Jahres 1939 sprechen. Das Thema der Ausrottung der Danziger Bevölkerung wird sicherlich großes Interesse wecken.

Weitere Informationen folgen in Kürze.