Rechtstreit Janina Luberda-Zapaśnik gegen die Wochenzeitung Focus

Janina Luberda-Zapaśnik, die das Konzentrationslager überlebt hat, findet die Formulierungen
„polnische Konzentrationslager“ und „polnische Vernichtungslager“ ihr gegenüber äußerst
beleidigend. Aus diesem Grund hat sie im Jahre 2015 vertreten durch den Rechtsberater Lech
Obara beim Gericht die Klage gegen Tomorrow Focus Media GmbH erhoben – die
Herausgeberin der Internetseite www.focus.de, wo solche Bezeichnung 2013 erschienen ist.

Janina Luberda-Zapaśnik verlangte die Veröffentlichung einer Entschuldigung, weil – wie sie
selbst behauptet – ihre Persönlichkeitsrechte dadurch verletzt wurden.
Am 23. Februar 2015 fand vor dem Bezirksgericht Olsztyn die Verhandlung statt und einen
Tag später wurde vom Richter Przemysław Jagosz das Urteil verkündet. Der Rechtsberater
Szymon Topa aus der Kanzlei Kancelaria Radców Prawnych Lech Obara i Współpracownicy,
Bevollmächtigter von Janina Luberda-Zapaśnik und zugleich Mitglied des Vereins Patria
Nostra, hielt es für ein gutes Zeichen, dass das Gericht diese wichtige Frage so schnell
entschieden hat.
Das Gericht hat der Meinung von Janina Luberda-Zapaśnik, dass es sich bei der nationalen
Würde und der nationalen Identität um schutzbedürftige Werte handelt und dass solche
Feststellungen wie „polnische Konzentrationslager“ oder „polnische Vernichtungslager“
unzulässig sind, stattgegeben. Zugleich hat das Gericht jedoch erkannt, dass dies für die
Feststellung nicht ausreichend ist, dass in diesem konkreten Fall die Persönlichkeitsrechte von
Janina Luberda-Zapaśnik verletzt wurden, denn „gemäß dem polnischen Zivilgesetzbuch
müsste es nachgewiesen werden, dass sich die unwahren Bezeichnungen auf die konkrete
Person beziehen.“ Richter Jagosz betonte ferner, dass sowohl das Internetportal focus.de als
auch die DPA, von der die auf dem Portal zitierten Aussagen stammten, letztes Jahr eine
Richtigstellung sowie Entschuldigung veröffentlicht haben.
Zusammenfassend hat das Gericht erkannt, dass die nationale Würde und nationale Identität
zwar geschützt werden sollen, jedoch werden diese Persönlichkeitsrechte durch die in der
Klage angegebenen Äußerungen zu den Konzentrationslagern nicht verletzt. Nach dem
Ermessen des Gerichts handelt es sich bei der Wahrheit über die Konzentrationslager um
einen kollektiven Wert, der sich auf das ganze Volk bezieht und als solcher vom Staat zu
schützen ist, folglich ist der Staat für diese Frage zuständig.
Die Bevollmächtigten von Janina Luberda-Zapaśnik haben sofort eine Berufung angekündigt.
Die Tatsache, dass die polnische Zuständigkeit für derartige Verfahren durchs Gericht
bestätigt wurde sowie die Tatsache, dass die nationale Würde und die nationale Identität
durchs Gericht auch im Sinne des polnischen Zivilgesetzbuches als rechtschutzpflichtige
Werte anerkannt wurden, lässt Optimismus schöpfen. Mit weiteren Argumenten sind wir
jedoch nicht einverstanden. Es geht uns um die Wiedergutmachung des persönlichen
Unrechts, welches der Klägerin entstanden ist, sowie um Entschuldigung an eine Person, die
das Konzentrationslager überlebte, obwohl sie dort so gut wie die ganze Familie verloren hat.
Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Verfolgung wegen ihrer polnischen Nationalität
während des Zweiten Weltkrieges sind Teil ihres Lebens geworden, und damit ist die
Wahrheit über die damaligen Geschehnisse nicht nur ein universaler, kollektiver Wert,
sondern ein Persönlichkeitsrecht der Klägerin, denn es ist zugleich die Wahrheit über die
Verursacher ihrer persönlichen Tragödie. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts ist
hier die Tatsache, dass es sich bei den „polnischen Konzentrationslagern“ um allgemeine
Begriffe handelt, ohne Bedeutung. Die Klägerin darf nämlich nicht als eine Person behandelt
werden, die den Schutz ihres guten Rufes oder des guten Rufes des Volkes verlangt. Wichtig
ist vielmehr, ob die Anwendung dieser Begriffe ein objektiv begründetes Unrechtsgefühl
hervorruft. Wie bereits erwähnt, liefert eine solche Bezeichnung ein gefälschtes Bild der
historischen Wahrheit und der Wahrheit über die Verursacher des Leidens der Klägerin, was
bei ihr ein objektiv begründetes Unrechtgefühl hervorruft. Schließlich befreit eine
Richtigstellung „a posteriori“ den Journalisten nicht von der Verantwortung und bildet keine

Wiedergutmachung für das hinzugefügte Unrecht. Für die Wiedergutmachung für das
hinzugefügte Unrecht ist die Entschuldigung bei der betroffenen Person die mindeste
Voraussetzung. Bei Richtigstellungen bezüglich der historischen Tatsachen ist das nicht der
Fall – fand damals der Rechtsberater Szymon Topa.
Es wurde in der Berufung vorgetragen, dass das Bezirksgericht in der Begründung seines
Urteils eine wesentliche Inkonsequenz begangen hat. Das Gericht hat nämlich festgestellt,
dass die Anwendung derartiger Bezeichnungen Widerspruch und begründete Empörung bei
allen Personen erwecken soll, denen der tatsächliche Sachverhalt bekannt ist, sowie dass die
Anwendung des Adjektivs „polnisch“ als unzulässig und empörungserweckend, insbesondere
bei der Klägerin, einzustufen ist. Diese Feststellung ist deswegen wichtig, weil damit der
Standpunkt der Klägerin bestätigt wurde, dass ihr Unrechtsgefühl objektiv begründet ist.
Wenn das Bezirksgericht ein begründetes Unrechtsgefühl im Bereich der persönlichen
Erfahrungen der Klägerin erblickt und bestätigt, dass sie sich auf die in der Klageschrift
genannten Persönlichkeitsrechte beruft, so kann dieses Gericht zugleich nicht annehmen, dass
es zu keiner Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Klägerin gekommen ist.
Die Bevollmächtigten von Janina Luberda-Zapaśnik haben dem Gericht in der Berufung auch
vorgeworfen, dass es die Festlegungen bezüglich der kollektiven Verleumdung bzw.
Beleidigung auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten falsch übertragen hat. Sie haben
sich ferner auf das Urteil des Obersten Gerichts berufen, wonach ein Priester berechtigt war,
eine Entschuldigung für die Verletzung seiner religiösen Gefühle zu verlangen, obwohl die
inkriminierte Tat nicht ihn, sondern den Papst Johannes Paul II. betraf. Die Kläger sind davon
überzeugt, dass sich dieser Sachverhalt direkt auf den vorliegenden Fall übersetzen lässt.
Ferner trugen sie auch vor, dass in der gegenständlichen Sache die Klägerin nicht zufrieden
sein kann, wenn die Beklagte (Tomorrow Focus Media GMBH, Anm. d. Red.) nicht mal das
Unrecht anerkennen will und ihre grundsätzliche Verantwortung in Frage stellt. Es ist
tatsächlich zu befürchten, dass die Beklagte weiterhin die inkriminierten Bezeichnungen
führen wird und durch den Mangel an Verantwortungsgefühl für das hinzugefügte Unrecht ist
die Vermutung völlig begründet, dass die Beklagte keine Maßnahmen ergreifen wird, um
solche Verletzungen in der Zukunft zu vermeiden.
Der Standpunkt der Klägerin, dass es tatsächlich zur Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte
gekommen ist, wurde auch vom Staatsanwalt bestätigt.
Am 30. September 2015 ist das Urteil des Berufungsgerichts Białystok im Rechtstreit Janina
Luberda-Zapaśnik gegen Tomorrow Focus Media GmbH, der Herausgeberin von Focus
Online, im Rechtsstreit wegen der Anwendung durch das deutsche Internetportal der
Bezeichnung „polnische Konzentrationslager“ und „polnische Vernichtungslager“ ergangen.
In diesem Urteil hat das Berufungsgericht die Berufung abgewiesen und die Klägerin mit den
Verfahrenskosten in Höhe von 270 PLN belastet. Das Berufungsgericht hat sich dem
Standpunkt des Bezirksgerichts angeschlossen, dass die Aussage über die „polnischen
Konzentrationslager“ viel zu allgemein ist und sich nicht auf die Klägerin bezieht, und vor
diesem Hintergrund kann ihr Unrechtsgefühl nicht nach denselben Grundsätzen wie die
Persönlichkeitsrechte geschützt werden. Der berichterstattende Richter hat die abweichende
Auslegung der Vorschriften im Art. 23 und 24 des polnischen Zivilgesetzbuches, die in der
Berufung der Klägerin geschildert wurde, für „unberechtigt“ erkannt, ohne jedoch auf die zur

Begründung der Berufung vorgetragenen Argumente, darunter aus dem Fall über die
Beleidigung der Erinnerung an Papst Johannes Paul II. Bezug zu nehmen.
Das Berufungsgericht hat sich auch dem Standpunkt des Bezirksgerichts Olsztyn
angeschlossen, dass die Löschung der fälschenden Bezeichnung „polnisch“ durch deutsche
Medien nach der Intervention polnischer Institutionen die Annahme zulässt, dass keine
Gefahr für weitere Beleidigung der Polen durch solche Aussagen besteht. Anders ausgedrückt
ist das Berufungsgericht der Meinung, dass der Status des ehemaligen Häftlings eines
Konzentrationslagers nicht ausreichend ist, um von den deutschen Medien eine
Entschuldigung für offensichtlich falsche und beleidigende Bezeichnungen „polnische
Konzentrationslager“ in einem Zivilverfahren zu verlangen.

Die Bevollmächtigten von Janina Luberda-Zapaśnik haben bereits eine Kassationsklage
angekündigt. Diese Sache ist von so großer Bedeutung, dass man auf die Überprüfung
durch das Oberste Gericht nicht verzichten darf.

– Kurz gesagt möchten wir das Oberste Gericht um eine Prüfung ersuchen, ob die nationale
Würde der ehemaligen Gefangenen des Konzentrationslagers Janina Luberda-Zapaśnik, die
im Lager ihre drei Geschwister verloren hat und jetzt in der Vereinigung der ehemaligen
Häftlinge aktiv tätig ist, in diesem Fall vielleicht doch einen Schutz verdient. Einen ähnlichen
Schutz, der im Urteil des Obersten Gerichts vom 6. April 2004 (I CK 484/03) dem Priester
Zdzisław Peszkowski gewährt wurde, dessen religiöse Gefühle im Zusammenhang mit der
Verletzung der Erinnerung an Papst Johannes Paul II. in einer Presseveröffentlichung der
Wochenzeitschrift NIE beleidigt wurden. Wir hoffen, dass sich das Oberste Gericht mit dem
Problem, dass unser Gefühl der nationalen Identität durch ausländische Medien verletzt wird,
diesmal stärker auseinandersetzen wird. Ferner hoffen wir darauf, dass das Gericht im
polnischen Rechtssystem eine Lösung finden wird, die uns vor diesen entrüstenden und
offensichtlichen Fälschungen der Geschichte wie durch Formulierungen „polnische
Konzentrationslager“ schützen wird. Leider bedeutet dieses Urteil, dass die deutschen Medien
und solche Personen wie Jan Gross sich weiter in Straflosigkeit wiegen und uns öffentlich
beleidigen können. Aus diesem Verfahren ergibt sich jedoch auch ein gewisser Trost, und
zwar dass die Gerichte beider Instanzen das Bestehen solcher Persönlichkeitsrechte wie die
nationale Würde und die nationale Identität anerkannt haben. Religiöse Gefühle wurden auch
erst nach mehreren Rechtsstreiten durch die Gerichte als Persönlichkeitsrechte anerkannt.
Man kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass in anderen Sachen das Gefühl der nationalen
Identität den ihm zustehenden Rechtschutz erlangen wird – kommentierten damals die
Rechtsberater Szymon Topa und Lech Obara.