Studienbesuch deutscher Studierender in Polen unter dem Motto „Wer war der Henker und wer war das Opfer?“ – Palmiry und das Jüdische Historische Institut

Der Verein Patria Nostra hat das Projekt „Wer war der Henker und wer war das Opfer?“ ins Leben gerufen, das vom Nationalen Institut für Freiheit – Zentrum für die Entwicklung der Zivilgesellschaft im Rahmen des Regierungsprogramms – Fonds für Bürgerinitiativen NOWE FIO gefördert wird. Das Hauptziel und die Motivation hinter diesem Projekt beruhen auf der Notwendigkeit, die Aktivitäten des Vereins Patria Nostra zum Schutz des guten Namens Polens und der polnischen Bürger zu verstärken, vor allem durch den Kampf gegen falsche Behauptungen über „polnische Vernichtungslager“ und die angebliche Mitschuld der Polen am Holocaust.

Unser Projekt stellt eine außergewöhnliche und zugleich spannende Form des „lebendigen Geschichtsunterrichts“ über die Teilnahme und die Rolle der Polen im Zweiten Weltkrieg dar und richtet sich insbesondere an junge Menschen, die mit diesem Thema nur wenig vertraut sind. Das Projekt befriedigt auch ein sehr wichtiges Bedürfnis, nämlich das nach historischer Wahrheit.

Aus diesem Grund haben wir eine Gruppe von Wissenschaftlern (Prof. Stephan Lehnstaedt, Dr. Peter Klein) und Master-Studenten der Holocaust-Studien von der Berliner Touro University (Projektpartner) vom 12. bis 16. Juni nach Polen eingeladen. Insgesamt waren es 18 Personen. Das Besuchsprogramm war zwar sehr intensiv, aber unsere Gäste waren von den Themen so eingenommen, dass ihnen die täglichen Spaziergänge von mehreren Kilometern, praktisch von morgens bis abends, nichts auszumachen schienen.

Der erste Tag diente dem gegenseitigen Kennenlernen, der Integration und der Erkundung der näheren Umgebung. Am Abend hingegen erhielten wir eine Einladung zu TVP World, wo zwei Teilnehmer des Studienbesuchs (Prof. Lehnstaedt und Furkan Aydemir) über unsere Zusammenarbeit, die Projektaktivitäten sowie auch darüber sprachen, wie das Problem der individuellen Entschädigungsansprüche für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs von den Deutschen (einschließlich der jungen Deutschen) gesehen wird.

Das Videomaterial kann unter dem folgenden Link angesehen werden:

https://tvpworld.com/70505355

Am zweiten Tag (Dienstag) fuhren wir nach dem Frühstück zum Museum – der Gedenkstätte Palmiry. Diese Gedenkstätte erinnert an die Opfer der Massenerschießungen, die von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs im Wald von Kampinos-Nationalpark durchgeführt wurden und die bereits im Dezember 1939 begannen. Dies war der Auftakt zu den groß angelegten Ermordungen der Intelligenz im Rahmen der Außerordentlichen Befriedungsaktion. Die Berufe und der Status der Opfer waren unterschiedlich und reichten von Politikern, Schriftstellern, Sportlern bis hin zu Schlossern, Klempnern oder Straßenbahnfahrern. Sie hatten eines gemeinsam – sie waren Patrioten, die wegen ihrer Untergrundtätigkeit, ihrer Unterstützung für den Untergrundstaat hingerichtet wurden. Zu den Opfern der heimlichen Massenmorde gehörten unter anderem der Präsident des Zweiten Polnischen Sejm, Maciej Rataj, die Senatorin Halina Jaroszewicz, der Vizepräsident von Warschau, Jan Pohorski, und der Olympiasportler Janusz Kusociński.

Auf dem Rückweg von der Gedenkstätte Palmiry besuchten wir das Jüdische Historische Institut, dessen Aufgabe in der Verbreitung von Wissen über das Erbe der tausendjährigen jüdischen Präsenz auf polnischem Boden besteht, u. a. durch die Präsentation seiner Sammlungen im Rahmen von Wechselausstellungen und verschiedenen künstlerischen Veranstaltungen, wissenschaftlichen Konferenzen, populärwissenschaftlichen Treffen sowie Bildungs- und Publikationstätigkeiten. Im Jüdischen Historischen Institut besuchten wir die Ausstellung unter dem Titel „Was wir nicht in die Welt hinausschreien konnten“, in der wir die weltweit größte und wertvollste Sammlung von Quellen zur Dokumentation des Holocausts bewundern konnten. Das Archiv gehört zu den 17 polnischen Denkmälern, die in die Welterbeliste der UNESCO (Memory of the World) aufgenommen wurden.

Für die Masterstudierenden der Holocaust-Studien ist dies ein sehr wichtiger und lehrreicher Ort.  Dies gilt umso mehr, als die Sammlung des Instituts aus sieben Millionen Seiten verschiedener Dokumente besteht, deren wichtigster Teil das bereits erwähnte Archiv des Untergrunds des Warschauer Ghettos ist, das auch unter dem Namen Ringelblum-Archiv bekannt ist. Eine besondere Aufgabe des Jüdischen Historischen Instituts ist auch die Entwicklung der genealogischen Aktivitäten. Für viele Menschen aus der ganzen Welt, die auf der Suche nach ihren Wurzeln sind, sind die Archive des Instituts sowie die Erfahrung und das Wissen der Mitarbeiter eine unschätzbare Hilfe. Dort befindet sich auch die größte Kunstsammlung Polens (über 15.000). Darunter sind auch Werke von Künstlern jüdischer Herkunft sowie eine reiche Sammlung von Kunsthandwerk und Judaica.

Auf dem Weg zum Jüdischen Historischen Institut besuchten wir auch das Grabmal des Unbekannten Soldaten, wo wir Zeit für einen Moment der Besinnung hatten und die Wachablösung beobachten konnten. Anschließend schlenderten wir durch den wunderschönen Saski-Garten.

Erst am Abend kamen wir im Hotel an, und es stand uns ein weiterer sehr intensiver und eindrucksvoller Tag bevor.